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Ab in die Notaufnahme

  • Autorenbild: Susanne
    Susanne
  • 13. Sept. 2018
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 27. Sept. 2018

Wie ich als Hochbegabte mit einer echten Notfallsituation umging



Schon seit meiner Kindheit weiß ich von meiner Erdnussallergie. Damals wurde mir schlicht schlecht davon und auf Kindergeburtstagen, bei denen Erdnuss-Flips gegessen wurden, war mir meistens einfach nicht gut. Ich konnte das noch nicht in einen Zusammenhang bringen. Das kam so mit ca. 10 Jahren und ich aß einfach keine Erdnüsse mehr. Meinen ersten anaphylaktischen Schock hatte ich mit 19. Damals war ich kurz ich in Paris - mit einer Freundin feiern - und irgendwie irgendwo in einem Club reichte mir jemand ein Stück Brot mit Erdnusssoße. Kurze Zeit später stand ich mitten in Paris, nicht gerade nüchtern, auf einer Straße und merkte, dass mir alle Luftwege zuschwollen. Irgendein Franzose gab mir Asthmaspray. Wahrscheinlich hat er mir das Leben gerettet.


Seitdem ist mir das noch 2x passiert. Einmal bekam ich es selbst in den Griff, beim 2x hat mich ein Freund ins Krankenhaus gefahren. Es sind Erdnüsse auf Vollkornbrötchen und Sandwiches mit Erdnussbutter auf Partys, die so gefährlich sind, weil man einfach nicht damit rechnet. Eigentlich kann ich ein normales Leben führen, ich muss eben immer fragen und hoffen, dass die befragten Leute mich verstehen (im Ausland, beim Thailänder etc.) oder Bescheid wissen (Kinder auf Schulfeiern sind auch keine zuverlässigen Informanten, wie ich schon gemerkt habe ;-)). Außerdem esse ich von allem, was mir komisch vorkommt, nur kleinste Mengen. Die erste Reaktion erfolgt eigentlich innerhalb der ersten 1-2 Minuten. Dann kriege ich das alles noch wieder hin.


Einmal nicht aufgepasst


Vor kurzem war ein komischer Tag. Wir hatten einen Ausflug gemacht, der mit viel Gejammer und Genöle von Seiten der Kinder verlaufen war. Irgendwie war ich deshalb schon überreizt. Ich hatte einfach Lust, mich mit einem leckeren Essen zu trösten. Wir bestellten beim Thailänder, nachdem wir die Jungs mit Pommes abgefüttert hatten. Und dann passierte es: Es gab Garnelen in einer Currysoße, angeblich mit Cashewnüssen. Und ich probierte ein bisschen, wartete aber nur wenige Sekunden – keine Reaktion. Und aß dann eine Gabel voll Reis mit Soße. In dem Moment explodierte schon meine Mundschleimhaut und ich wusste, ok, das war jetzt zuviel. Ich erfasste einfach, dass die Menge gefährlich war. Ich geriet in Panik und fing an zu weinen. In dem Moment fing auch schon mein Hals an zu zuschwellen. Die Gedankenflut in diesem Augenblick kann ich nur so bruchstückhaft wiedergeben: Ich will nicht sterben – die Kinder sollen das nicht sehen – Sese (mein Mann), tu was – Suse (so werde ich gerufen), tu was – das wird alles gut, so stirbst du nicht – wieso hast du das gegessen – wieso ist da überhaupt Erdnuss drin – wieviel hast du gegessen? - ... usw. Irgendwann erreichte mich der Gedanke: Ruf einen Rettungswagen. Dann wieder die Gedankenflut: das ist doch albern, du übertreibst – aber du kannst doch kein Risiko eingehen – die vielen Toten, die in USA an Erdnußallergie sterben – wieso habe ich kein Notfallset - würde mir das jetzt helfen?...


Ich rief 112 an. In der Zwischenzeit erinnerte ich mich an das Fläschchen Fenistil (Antiallergikum) und schrie meinen Mann an, er soll mir das bringen. Mein Hals schwoll weiter an, ich konnte schon nicht mehr gut schlucken. Er brachte mir das Fläschchen und ich stürzte den ganzen Inhalt in mich rein. Mein Mann blieb bei mir und redete beruhigend auf mich ein. So wurde es besser.


Als der Rettungswagen kurze Zeit später kam, hatte ich das Gefühl, dass der Prozess schon zum Stillstand gekommen war. Prompt entschuldigte ich mich erst einmal bei den Rettungssanitätern (immer das schlechte Gewissen). Sie legten mir einen Zugang, pumpten Kortison in mich rein. Zusätzlich kam ein Notarztteam. 4 Menschen in Uniformen turnten in unserem Wohnzimmer rum, im Nu hatte ich etliche Kabel an und in mir. Ich müsse mit ins Krankenhaus, eventuell über Nacht. Und gleich wieder die Sorgen: Wie soll das gehen – Kind 1 muss morgen früh aus dem Haus mit Papa – wer packt meine Kleidung ein – ich brauche ein Ladekabel ...und noch mehr solcher wirklich wichtiger Gedanken, wenn alles gerade auf der Kippe steht.


Von der Schippe gesprungen

Nachdem klar war, dass ich gerettet werden würde, durften auch die Jungs ins Wohnzimmer kommen. Sie waren offensichtlich mehr fasziniert von dem Geschehen als ängstlich wegen ihrer Mutter. Gut so. Und trotzdem bin ich seitdem sehr aufmerksam – vielleicht haben sie doch ein Trauma erlitten? Wie sehr hat es meine Tochter getroffen, die schon alles richtig einschätzen kann und meine Panik am Anfang erlebt hat. Sie hatte auch sehr geweint und hatte wirklich Angst. Wie tief bleibt so etwas in Erinnerung?


Alles lief im Prinzip wie ein Film ab. Und dann die Frage der Sanitäterin: Wenn Sie wissen, dass Sie allergisch auf Erdnuss reagieren, wieso haben Sie das dann gegessen? In solchen Momenten weiß ich immer nicht, ob ich doof bin oder die anderen. Ja, gute Frage, wieso habe ich das eigentlich gegessen? Aber denkt sie jetzt gerade wirklich, ich hätte das absichtlich gemacht? Hmmmm. Ich erzählte die ganze Geschichte von der Auswahl des Essens, wie ich probiert hatte, aber nicht genug gewartet und dann die Gabel voll gegessen habe. Die Sanitäterin blickte mich einigermaßen mitleidsvoll an.


Die Notärztin war richtig nett, auch zu den Jungs. Aber es kam mir doch seltsam vor, als sie mich darüber aufklärte, dass die Erdnuss ja gar keine Nuss ist, sondern mit der Erbse verwandt und ob ich die denn essen könnte? Irgendwie unangemessen fand ich dann auch ihre Bemerkung, dass sie ohne gesalzene Erdnüsse nicht leben könnte. Wahrscheinlich wollte sie einfach Smalltalk machen, zur Beruhigung oder so. Ich wunderte mich nur. Hält man in so einer Situation überhaupt Smalltalk?


Ich weiß natürlich alles über Erdnüsse, ich lebe ein gefährliches Leben damit. Ich kenne alle Kreuzallergien (schon weil ich die meisten davon habe), die ganze Gefahr und den Verlauf eines anaphylaktischen Schocks. Deshalb habe ich ja den Rettungswagen geholt (und übrigens haben alle mir bestätigt, dass das auch angemessen war. Und ich habe wirklich alle Beteiligten danach gefragt. J Damit ist mein schlechtes Gewissen zumindest etwas ruhiger gestellt.) Aber vielleicht ist das eben auch nicht der Normalfall, dass die Patienten alles selber wissen?


Ich verbrachte anschließend noch 2 Stunden unter Beobachtung in der Notaufnahme, dann durfte ich nach Hause und fiel gegen Mitternacht meinem Mann erleichtert in die Arme, der mit den Kindern zu Hause geblieben war.


Was soll mir das sagen? Carpe diem? Das will ich nicht!

Ich finde es interessant im Nachhinein meine Gedankengänge zu analysieren. Obwohl es nur eine kurze Episode war, habe ich das Gefühl, dass sie uns noch nachhaltiger beschäftigen wird. Was soll mir das sagen? Glück im Unglück? Sei froh, dass Du in einem so zivilisierten Land lebst? Oder gar: Carpe diem - Lebe jeden Tag als wäre es Dein letzter? Ich mag solche abgegriffenen Sätze nicht mehr. Ich werde jetzt einfach wieder noch vorsichtiger sein. Und mein Leben jeden Tag leben, aber ohne das Gefühl, es könnte mein letzter sein. Das ist mir zu gruselig. Im Gegenteil, ich möchte so leben, als ob es noch ganz lange weiter geht.


Habt ihr schon Notfallsituationen erlebt? Mit Euch selbst, mit den Kindern? Welche Gedanken sind Euch durch den Kopf geganen? Was habt ihr daraus gelern?

Freue mich über Eure Erfahrungen oder Fragen in den Kommentaren.



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In diesem Blog berichtet eine spät entdeckte hochbegabte Mutter über ihre Erfahrungen mit dem Mutterdasein, der Hochbegabung und dem Alltag mit den Kindern. Er soll Inspiration für Mütter hochbegabter Kinder sein, sich auch mit der eigenen Hochbegabung und den damit verbundenen Herausforderungen für das Muttersein auseinander zu setzen. 

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